Evaluierung der Übertragung des Berufungsrechts auf die bayerischen Hochschulen

 

Gegenstand:

Das Wissenschaftsministerium hat im Rahmen eines Modellversuchs am 19. August 2009 das Berufungsrecht – zunächst befristet bis zum 30. September 2013 – auf alle Hochschulen, die dies beantragt haben, delegiert. Der Bayerische Landtag hat die Staatsregierung daher aufgefordert, im Jahr 2013 zu den Erfahrungen mit der Übertragung des Berufungsrechts auf die Hochschulen Bericht zu erstatten. Das Wissenschaftsministerium beauftragte das Staatsinstitut mit der Evaluierung. Das IHF entwickelte hierfür einen standardisierten Fragebogen, anhand dessen die Hochschulen gebeten wurden, Zahlen für den Zeitraum 2003 bis 2012 vorzulegen. Er gliederte sich in die Themenbereiche (1) Ernennungen, Ruferteilungen und Bewerbungen, (2) Qualitätskriterien und Durchführung von Berufungsverfahren, (3) Zeitdauer von Berufungsverfahren. Die Befragung fand zwischen Oktober 2012 und April 2013 statt.

 

Aktueller Stand:

Das Projekt wurde im Oktober 2013 mit einer Drucksache abgeschlossen, die dem Wissenschaftsministerium zuging.

 

Ergebnisse:

Da das Ziel dieser Evaluierung die Erfassung größerer Trends war, beziehen sich die folgenden Ergebnisse jeweils auf den jährlichen Durchschnitt des Zeitraums 2003 bis 2009 im Vergleich zum jährlichen Durchschnitt des Zeitraums 2010 bis 2012. Durch die Gegenüberstellung der genannten Zeiträume ist ein Vorher-/Nachher-Vergleich möglich, da im August 2009 das Berufungsrecht versuchsweise auf die bayerischen Hochschulen übertragen worden ist. Dabei sind allerdings die veränderten Rahmenbedingungen bei der Durchführung von Berufungsverfahren (z. B. Vorbereitung auf den doppelten Abiturjahrgang 2011 in Bayern, Ausbauprogramme der deutschen Länder) während der beiden Vergleichszeiträume zu berücksichtigen. 

Die Anzahl der Ernennungen ist im Vergleich der beiden Zeiträume 2003 bis 2009 und 2010 bis 2012 deutlich gestiegen, an den Universitäten um 38 Prozent und an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften um 99 Prozent. Die Zahl der Ruferteilungen ist im gleichen Zeitraum an den Universitäten um 49 Prozent angestiegen und an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften um 101 Prozent.

 

Abbildung: Durchschnittliche Anzahl der Ernennungen und Ruferteilungen an bayerischen Hochschulen

                   

 

Trotz des starken Anstiegs der Anzahl der Berufungsverfahren (bzw. Ernennungen) ist insgesamt eine Verkürzung der Zeitdauer von Berufungsverfahren (Zeitdauer von der ersten Ausschreibung bis zur Ernennung) zu beobachten. So hat sich der durchschnittliche Anteil der Berufungsverfahren, die innerhalb eines Jahres abgeschlossen werden, an Universitäten von 20 auf 28 Prozent und an Hochschulen für angewandte Wissenschaften von 36 auf 52 Prozent erhöht.

Diese Zeitverkürzung bestätigt sich bei der Entscheidung auf Fachbereichsebene (Zeitdauer von der ersten Ausschreibung bis zur ersten Entscheidung des Berufungsausschusses). An den Universitäten hat sich der Anteil der Verfahren mit einer ersten Entscheidung des Berufungsausschusses innerhalb eines halben Jahres von 33 auf 40 Prozent, an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften von 51 auf 53 Prozent erhöht. Vor dem Hintergrund, dass sich im gleichen Zeitraum die Anzahl der Berufungsverfahren deutlich erhöht hat, kann diese Zeitverkürzung als Indiz für eine effizientere Gestaltung der hochschulinternen Prozesse bei der Durchführung von Berufungsverfahren gedeutet werden – ein direkter inhaltlicher Zusammenhang zur Delegation des Berufungsrechts auf die Hochschulen kann aber nicht hergestellt werden.

Eine deutliche Zeitverkürzung ist zudem hinsichtlich der Zeitdauer bis zur Entscheidung auf zentraler Ebene durch das Ministerium bzw. die Hochschulleitung (Zeitdauer vom ersten Berufungsvorschlag bis zur ersten Ruferteilung) zu beobachten. Der durchschnittliche Anteil der Berufungsverfahren, in denen eine erste Entscheidung auf zentraler Ebene innerhalb von zwei Monaten getroffen wird, ist an den Universitäten von 38 auf 60 Prozent und bei den Hochschulen für angewandte Wissenschaften von 25 auf 67 Prozent angestiegen. Die Zeitverkürzung dieser Phase kann als eine Folge der Übertragung des Berufungsrechts auf die Hochschulen interpretiert werden, auch wenn dabei sicherlich andere Einflüsse, die im Rahmen dieser Evaluierung nicht berücksichtigt werden konnten, ebenfalls eine wesentliche Rolle spielen.

 

Abbildung: Durchschnittliche Zeitdauer von Berufungsverfahren an bayerischen Hochschulen

 

 

Thorsten Lenz